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Erhard Auer (1874-1945)
Bayerischer Innenminister, SPD-Parteivorsitzender

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Erhard Auer, Politiker, erster Innenminister des Freistaats Bayern, SPD-Parteivorsitzender in Bayern (1918-1933)
* 22. Mai 1874, Dommelstadt bei Passau
+ 20. März 1945, Giengen

Erhard Auer ist eine der markantesten Persönlichkeiten der Sozialdemokratie in Bayern vor, während und nach dem ersten Weltkrieg neben Carl Grillenberger, Martin Segitz, Kurt Eisner, Ignatz und Georg von Vollmar gewesen. 1908 wird das Landessekretariat der Sozialdemokratischen Partei Bayerns errichtet. Die Leitung dieses Sekretariats wird Erhard Auer übertragen, der sozusagen der ehrenamtliche Privatsekretär Vollmars war. Mit Erhard Auer hält dieser in allen Kriegs- und Friedensfragen enge Fühlung. Auer teilt ihm am 1.März 1916 mit, daß die Bayern sich mit den Österreichern über Friedens- und Grenzfragen aussprechen wollen.


1917 spaltet sich die Partei, was sich in Bayern zunächst wenig auswirkt. Die deutlich dominierenden Mehrheitssozialdemokraten unter dem Landessekretär Erhard Auer hoffen weiter auf die Fähigkeit der Regierenden, den Ernst der Lage des Staates zu erkennen und auf ihren Willen, daraus Konsequenzen zu ziehen. Zu dieser Zeit sind Vorbereitungen für eine Revolution in München und Bayern schon in vollem Gange. Träger dieser Bestebungen sind die USPD unter der Führung von Kurt Eisner. Die Unabhängige Sozialdemokratische Partei war ursprünglich ebenfalls nicht für einen revolutionären Durchbruch, wie auch Eisner sich dafür einsetzt, die Brücken zur alten SPD nicht vollständig abreißen zu lassen; bis zum Beginn des 1. Weltkrieges hatte er auch den reformistischen Kurs der SPD voll mitgetragen. In den Novembertagen des Jahres 1918 kommt sowohl der gesetzliche Weg zum Volksstaat wie ihn die SPD verfochten hatte zum Erfolg wie auch der ungesetzliche der USPD unter Eisner mit Hilfe von nicht genehmigten Massendemonstrationen und der Bildung des „Rates der Arbeiter, Soldaten und Bauern“. Am 8. November 1918 kommt es schließlich zur Bildung der ersten „Regierung des Volksstaates Bayern“ als Koalitionsregierung der beiden sozialdemokratischen Parteien. 

Am 8.11.1918 tritt der provisorische Nationalrat im Landtag zusammen. Es bildet sich eine Revolutionsregierung aus MSPD und USPD mit Kurt Eisner als Ministerpräsident und Erhard Auer als Innenminister. Der abgesetzte König Ludwig III. flieht aus München. Trotz der Wahl Kurt Eisners durch einen aus Arbeiter- und Soldatenräten gebildeten provisorischen Nationalrat zum Ministerpräsidenten des Freistaats Bayern bleiben die bisherigen Strukturen des Staates bestehen, z.B. die auf der politisch konservativen Beamtenschaft ruhende Verwaltung oder die überkommenen Besitzverhältnisse. Für seine politischen Ziele, insbesondere die Verbindung zwischen direkter Demokratie - dem Rätesystem - und indirekter Demokratie - dem Parlamentarismus, kann er keine Mehrheiten gewinnen. Bei den Wahlen zum Landtag am 12. Januar 1919 erleidet Eisners USPD eine erhebliche Niederlage. Die Mehrheit für eine „bürgerliche“ Regierung hat zwei negative Folgen für die innenpolitische Entwicklung Bayerns: einerseits wird den Kräften im revolutionären Spektrum Auftrieb gegeben, die grundsätzlich die parlamentarische Demokratie als „konterrevolutionär“ ablehnen und ohnehin „alle Macht den Räten“ übertragen wollen; andererseits werden auch die Bemühungen der Mehrheit der Spitzenfunktionäre der bayerischen SPD verstärkt, unter Auers Führung möglichst schnell die Koalition mit der USPD zu beenden und eine Koalition mit BVP und Liberalen zu schließen. Dem liegt die Überlegung zugrunde, lieber kleine Reformen getragen von einer großen Mehrheit der Landtagsabgeordneten zu erreichen als radikale Reformen, die nur einzelne Klassen und Schichten repräsentieren. Solche Reformen tragen nach Ansicht Auers und seiner Anhänger auch die Gefahr in sich, die Kräfte zu stärken, die wirklich gegenrevolutionäre Ziele verfolgen. 

Obwohl das Verhältnis des neugewählten Landtages mit den Räten noch ungeklärt war, hat sich Eisner bereiterklärt, bei der konstituierenden Sitzung des Landtages am 21. Februar 1919 den Rücktritt der Regierung zu verkünden. Auf dem Weg zum Landtag wird er jedoch von dem jungen Offizier Graf Anton Arco-Valley hinterrücks erschossen. Der Mord an Kurt Eisner sorgt für große Empörung und ein Wiederaufflackern revolutionärer Unruhen. Es kommt zu weiteren Schießereien im Landtag, bei denen es zwei Tote gibt und Erhard Auer schwer verletzt wird. Dieses Attentat eines Angehörigen des revolutionären Arbeiterrats auf Erhard Auer sprengt den Landtag. Am 25.2. konstituiert sich der "Kongreß der bayerischen Arbeiter-, Bauern- und Soldatenräte" als neuer "Provisorischer Nationalrat". Damit ist der relativ gewaltfreie Abschnitt der bayerischen Revolution beendet. Auch in Bayern kommt jetzt die Zeit der politischen Morde wie sie in Berlin mit der Ermordung von Karl Liebknecht und Rosa Luxemburg bereits begonnen hat. 

Am 17.3. wählt der Landtag Johannes Hoffmann (MSPD) einstimmig zum Ministerpräsidenten; dieser bildet eine Koalitionsregierung aus MSPD und USPD, die von BVP, DDP und "Mittelpartei" toleriert wird. Dem Kabinett unter dem neu gewählten Ministerpräsidenten Johannes Hoffmann, einem Sozialdemokraten, gelingt es nicht, die zunehmende Polarisierung zwischen den parlamentarischen Parteien und lokalen Arbeiter- und Soldatenräten abzubauen.

Im Gegenteil, die Lage spitzt sich so zu, daß das Kabinett Hoffmann gezwungen wird, zur Beratung der Verfassung nach Bamberg auszuweichen. Das dadurch entstehende Machtvakuum nutzt eine Gruppe um den Philosophen Gustav Landauer und die Schriftsteller Ernst Toller und Erich Mühsam, um in der Nacht vom 6. auf den 7. April 1919 die "Räterepublik Baiern" auszurufen. Sechs Tage später übernimmt Eugen Leviné, ein Angehöriger der kommunistischen Partei, die Führung der Räterepublik.

Abb.1: Der Landtag in Bamberg 1919

Mitte April übernehmen die Kommunisten die Führung der Räterepublik und organisieren einen militärischen Abwehrkampf.

Unter dem Eindruck der Nachricht, daß die "Rote Armee", die Truppe der Räterepublik, zehn Geiseln ermordet hatte, wird vom 20.4.–2.5. die Räterepublik von Regierungstruppen und Freikorps blutig niedergeschlagen. Am 1. Mai 1919 beginnt die Eroberung Münchens durch die von Ministerpräsident Hoffmann angeforderten preußischen und württembergischen Truppen und die Freikorps, deren wochenlange Terrorherrschaft beinahe tausend Menschen das Leben kosten sollte.

Abb.2: Hunderte werden standrechtlich erschossen, erschlagen, auch völlig Unbeteiligte.

Am 31.5. bildet Ministerpräsident Hoffmann eine Koalitionsregierung aus MSPD, BVP und DDP ("Bamberger Koalition"), welche im Herbst eine neue Bayerische Verfassung ("Bamberger Verfassung") vorlegt, die im Landtag mit großer Mehrheit verabschiedet wird. Schon 1920, während des Kapp-Putsches, tritt der sozialdemokratische Ministerpräsident Johannes Hoffmann zurück, Gustav Ritter von Kahr bildet eine Koalitionsregierung aus BVP und DDP. Bayern entwickelt sich seitdem zur reaktionären Ordnungszelle und zur Zufluchtstätte rechtsreaktionärer und nazistischer Kräfte. So wird 1921 der USPD-Abgeordnete Gareis von Fememördern erschossen.

Ein neues Grundsatzprogramm der SPD erfordert die Vereinigung mit dem Großteil der Rest-USPD zur "Vereinigten Sozialdemokratischen Partei" 1922. Auf dem Vereinigungsparteitag in Nürnberg sind die USPD-Delegierten fast gleichstark (135:146) vertreten und damit stark überrepräsentiert. Angesichts der linken Dominanz ziehen sich rechte Reformisten wie Friedrich Stampfer (Chefredakteur des Vorwärts) und Max Quarck längere Zeit schmollend aus der Arbeit zurück. Beide kämpfen indessen in den Parteiorganen um realistischere programmatische Positionen. Sie werden dabei von Eduard David und Erhard Auer unterstützt. Der Parteivorstand entsendet kurz vor dem Heidelberger Parteitag noch den Reformisten Paul Kampffmeyer in die Kommission, gleichzeitig jedoch auch die Linken Robert Schmidt und Paul Levi, den früheren KPD-Vorsitzenden. An der Vorlage ändert sich dadurch kaum etwas. Der vom 13.-18. September in Heidelberg stattfindende Parteitag verabschiedet das "Heidelberger Programm" mit wenigen Gegenstimmen.

Am 21. November 1922 hält der Vorsitzende der SPD-Landtagsfraktion Erhard Auer im Bayerischen Landtag eine Rede, in der er feststellt, was gültig bleiben wird: "Die Plattform der nationalsozialistischen Arbeiterpartei ist ein Gemisch von antisemitischen, bodenreformistischen, mittelständischen und syndikalistischen Ideen, die sich gegenseitig ausschließen."

Der zur lokalen Größe aufgestiegene Hitler wagt bereits 1923 in München einen Putsch. Nazis stürmen das Münchner Rathaus, verschleppen und foltern sozialdemokratische Kommunalpolitiker. Als Reaktion darauf veranlaßt der bayerische Parteivorsitzende (1918-1933) Erhard Auer in München und Südbayern den Auf- und Ausbau sozialdemokratischer Selbstschutz-Formationen, die "Auer-Garden", die im folgenden Jahr im "Reichsbanner Schwarz-Rot-Gold" aufgehen.

Abb.3: Reichsbanner-Demo München 1927

Anfang 1945 kommt Erhard Auer als Umgesiedelter aus Karlsruhe nach Giengen, wo er im Altenheim im Gasthof "Einhorn" untergebracht wird. Dort stirbt er 70jährig.

Zeittafel zur Münchner Revolution 1918/19
28.1.1918 Kurt Eisner ruft zum Streik gegen den Krieg auf. Beginn der "Januarstreiks" in wichtigen Industriezentren.
1.2.1918 Verhaftung Eisners wegen Streikagitation.
3.2.1918 Ende der Streiks
14.10.1918 Eisner wird als USPD-Kandidat für München zur Nachwahl aus der Haft entlassen. Kandidat der MSPD ist Erhard Auer.
23.10.1918 Eisner fordert auf Wahlversammlungen die Deutsche Republik.
2.11.1918 Reformabkommen zwischen bayerischer Regierung und Parteien: Einführung des Verhältniswahlrechtes, Parlamentarisierung etc. Auf Erlaß Ludwigs III. Wird eine Regierungsneubildung unter Einbezug der MSPD vorgesehen.
3.11.1918 USPD-Kundgebung auf der Theresienwiese. Letzte Besprechung Eisners mit dem radikalen Bauernführer Gandorfer auf dem Zollhof in Pfaffenberg bei Straubing.
4.11.1918 Matrosenaufstand in Kiel.
6.11.1918 Erste Besprechung der neuen königlichen Regierung.
7.11.1918 Friedenskundgebung der Gewerkschaften und der sozialdemokratischen Parteien auf der Theresienwiese. Eisner und Ludwig Gandorfer rufen zur Aktion auf. Forderung nach Waffenstillstand und Rücktritt des Kaisers. Bildung von Arbeiter- und Soldatenräten. Eisner zieht mit seinen Anhängern durch München. Besetzung des Landtages. Proklamation des Freistaats Bayern. Erstmals Frauenwahlrecht in Deutschland.
8.11.1918 Provisorischer Nationalrat tritt im Landtag zusammen. Bildung einer Revolutionsregierung aus MSPD und USPD. Kurt Eisner Ministerpräsident, Erhard Auer Innenminister. Der abgesetzte König Ludwig III. flieht aus München.
9.11.1918 Revolution in Berlin. Flucht des Kaisers. Ausrufung der Deutschen Republik.
10.11.1918 Waffenstillstand. Bauernführer Gandorfer verunglückt tödlich.
13.11.1918 Ludwig III. hebt Treueid der Beamten auf.
5.12.1918 Wahlproklamation für Landtagswahlen.
1.1.1919 Gründung der KPD
4.1.1919 Vorläufiges Staatsgrundgesetz.
12.1.1919 Landtagswahlen in Bayern
19.1.1919 Wahlen zur Deutschen Nationalversammlung
12.2.1919 Eisner wird auf dem Weg zur Eröffnung des Landtages, wo er nach einer vernichtenden Niederlage seinen Rücktritt erklären wollte, auf offener Straße ermordet. Attentat auf Erhard Auer sprengt den Landtag.
25.2.1919 "Zentralrat der Republik" unter Niekisch, später Toller, bildet sich. Gegen Wiederzusammentritt des Landtages.
1.3.1919 MSPD, USPD und Bauernbund bilden eine Regierung.
18.3.1919 Landtag bestätigt die gewählte Regierung Hoffmann
7.4.1919 "Dritte Revolution". Zusammentritt des Landtages wird durch Ausrufung der "Räterepublik Baiern" verhindert. Beteiligung von USPD und Anarchisten (E. Mühsam), ohne Beteiligung der KPD. Landtag und Regierung weichen nach Bamberg aus.   
11.4.1919 "Vierte Revolution". Nach gescheitertem Militärputsch gegen die Räterepublik. Ausrufung der Kommunistischen Räterepublik. Bildung einer Roten Armee unter Kriegskommisar Egelhofer und Oberkommandierenden Toller. Reichswehr und Freikorps rücken auf Anforderung Hoffmans auf München vor.
16.4.1919 Sieg der Bayerischen Roten Armee in der "Schlacht bei Dachau". Konterrevolutionäre Einheiten werden jedoch nur kurzzeitig zurückgedrängt.
30.4.1919 Erschießung von Geiseln der Roten Armee im Luitpoldgymnasium. Zehn Opfer.

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Erstellt von Ulrich Stark am 18.02.1999, die letzte Änderung erfolgte am 28.05.2001