Der Regierungsdirektor mit dem Stenoblock
Die Lebensläufe von Franz Xaver Gabelsberger und Christian Schöck weisen beide nicht nur als große Stenografen aus, sie gleichen sich auch in einem weiteren Punkt: Beide waren Parlamentsstenografen, Gabelsberger 1819 in München und Schöck 1891 in Stuttgart. Heute gibt es in der Bundesrepublik Deutschland mehr als hundert Parlamentsstenografen, davon 31 im Deutschen Bundestag. Es sind meistens Beamte des höheren Dienstes oder Anwärter für den höheren Dienst, deren Besoldung zwischen der eines Regierungsrates und eines Ministerialrates liegt. Neun davon werden nach der Besoldungsgruppe A 16 bezahlt, was einem Grundgehalt von derzeit etwa 9.000 Mark entspricht.
Die allerersten "Parlamentsstenografen" gab es im alten Rom. Im Jahre 63 v. Chr. wurde im römischen Senat eine historische Rede angekündigt. Cicero wollte diese Rede in kürzester Zeit im Wortlaut haben. Einige Senatoren beherrschten die "Tironischen Noten", eine von Ciceros Geheimsekretär Marcus Tullius Tiro erfundene Kurzschrift. Sich in kurzen Zeitabständen abwechselnd, schrieben diese Senatoren mit spitzen Metallgriffeln die Rede auf wachsbezogene Holztäfelchen auf. Sie wurden so die ersten Parlamentsstenografen.
Im römischen Senat ging es mitunter recht lebhaft zu, doch ein Parlament im heutigen Sinne war er nicht. Der Parlamentarismus hatte seine Wiege in England. Und dort wurden nach der geometrischen englischen Kurzschrift auch die ersten Stenografen mit dem Auftrag ins Parlament geschickt, alle Reden zu stenografieren. Denn sollte das Volk schnell, umfassend und genau über das informiert werden, was im Parlament gesprochen worden war, ging es ohne Stenografie nicht. Das ist bis heute so geblieben.
Die Anfänge des Parlamentarismus und damit auch der Parlamentsstenografen in Deutschland führen in die Zeit des Wiener Kongresses 1815. Er schrieb landständische Verfassungen vor. Als in Bayern 1819 die erste Ständeversammlung zusammentrat, stenografierte der Ministerialsekretär Franz Xaver Gabelsberger alles Gesprochene in der von ihm entwickelten Kurzschrift mit. Das System Gabelsberger war geboren und mit ihm der Stenograf in deutschen Parlamenten.
Während seiner Ausbildung zum Lehrer hatte sich Christian Schöck im Selbststudium die Stenografie nach dem System Gabelsberger angeeignet, Stenografie in Heilbronn unterrichtet und seine staatliche Prüfung als Stenografielehrer in München abgelegt. So brachte er die besten Voraussetzungen mit, um in den Jahren 1891 und 1892 als Stenograf in der 2. Kammer des Württembergischen Landtages zu wirken. Die Aufgabe heutiger Parlamentsstenografen besteht nicht nur darin, den Wortlaut einer Rede exakt festzuhalten, in ihrem Stenogramm muß sich der ganze Ablauf einer Verhandlung widerspiegeln mit Zwischenrufen, Beifall und Mißfallen, Tumulten und Gelächter im Haus. Das ganze Geschehen ist zu erfassen. Schon das macht deutlich, daß ein Parlamentsstenograf nie voll durch ein Tonbandgerät ersetzt werden kann. Eine Tonbandaufnahme allein ist aber auch deswegen ein schlechter Ersatz, weil sie eine weitere wichtige Aufgabe eines Stenografen nicht leisten kann. Er muß die Rede eines Parlamentariers in kürzester Zeit in eine druckreife Form bringen und dazu stilistische Unebenheiten glätten, Versprecher korrigieren, grammatisch und syntaktisch mißratene Sätze in die rechte Form bringen, Zahlen und Zitate überprüfen. Bei alledem darf er Sinn und Inhalt einer Rede nicht verändern. Eine Chance hat eine Tonbandaufnahme allein nur dort, wo es einen Parlamentsstenografen mangels Nachwuchs nicht gibt.
Um Parlamentsstenograf werden zu können, muß man die Hochschulreife oder ein abgeschlossenes Studium haben. Für Abiturienten, die schon möglichst früh die Kurzschrift erlernt haben und durch ständige Übung auf über 200 Silben gekommen sind, ist der Parlamentsstenograf eine berufliche Alternative. Aussichten hat nur, wer getan hat, was Christian Schöck, Karl Weckert, Paul Feiler und andere im Öhringer Stenografenverein immer wieder gepredigt haben: Früh anfangen, dabei bleiben und üben, üben, üben ...
Sollten Sie sich für den Beruf des Parlaments- und Verhandlungstenografen/der Parlaments- und Verhandlungsstenografien interessieren wenden sich bitte an den Verband der Parlaments- und Verhandlungsstenografen, Herrn Dr. Karl Gutzler, Merler Allee 97, 53125 Bonn, Telefon/Telefax (02 28) 25 15 09.