Exposé
für das Buchprojekt
"Die junge Republik zwischen Brüssel, Berlin und Budapest"

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Zur Idee des Buches

Berlin ist nicht Bonn und die Republik auf dem Weg. Bloß wohin?

Mit dem Buch "Die junge Republik zwischen Brüssel, Berlin und Budapest" wollen wir, junge Deutsche und Europäer, uns an der Diskussion über die Zukunft der Berliner Republik beteiligen. Ziel des Buches ist es, sich mit den fundamentalen Veränderungen und Herausforderungen sowie den Chancen der Zeit seit 1989/90 auseinanderzusetzen und Wege jenseits der herrschenden und generationsbedingten Vergangenheits- und Gegenwartsdiskurse aufzuzeigen.
Das Buch und unsere Beiträge verstehen wir vor allem als Aufruf gegen einen oft kulturkritisch formulierten Zeitgeist. Daß die Republik "scheitert" oder "abdankt", ist keineswegs ausgemacht. Die Zukunft ist offen. Um sie gestalten zu können, bedarf es aber neuer Leitbilder und Perspektiven. Wir Autoren sind uns einig: Die auf den alten Ideen und Prinzipien aufbauenden Institutionen greifen bereits seit langem nicht mehr. Das Buch richtet sich nicht nur an unsere Generation, sondern auch an die amtierenden und bestimmenden Akteure in Politik, Wirtschaft und Gesellschaft. Das Buch ist ein Angebot, mit uns Gespräche über die Zukunft zu führen.
Der Buchtitel zeigt jene Pole auf, zwischen denen sich die Diskussion in der Bundesrepublik zur Zeit bewegt: "Brüssel" steht für die "EU-Perspektive" (ein "Staat" ohne "Volk"?), "Budapest" für die "Revolution und Transformation Europas" (Zivilgesellschaft, Systembruch) und "Berlin" für die "kommende Republik" (neue Peripherie zwischen Metropole und Regionen?).
Zentrales Ziel des Buches ist ein "neues Management der Übergänge und der "Lebenspolitik" (Giddens), ein "neuer Mix von Staat, Markt und Solidarität".
Im Zeitalter der Beschleunigung verändern sich vertraute Institutionen und mit ihr alte Sicherheiten und Gewohnheiten. Veränderungen kann man
gestalten. Es sind weniger die Tatsachen als die Ansichten und Debatten über Veränderungen, die entscheidend für die Zukunft eines Landes sind.
Beispiel "Globalisierung": In Deutschland fühlt man sich eher als Opfer und Verlierer der Globalisierung, obwohl die ökonomischen Zahlen eine andere Sprache sprechen. Doch wie steht es um die "kulturellen und gesellschaftlichen Zahlen"? Es sind gerade die Muster und Denkfiguren von Politik, Wirtschaft, sozialen Institutionen, Sicherungssystemen und Lebensstilen, die durch die Veränderungen der letzten zehn Jahre herausgefordert werden
und die seit 1989 unter einem sich wechselseitig verstärkendem Druck und Spannungsverhältnis stehen. Wollen sie überleben, werden sie sich neu rechtfertigen müssen. Wir sind am "Ende der alten Gewißheiten" - und das ist gut so.
Künftig wird es verstärkt zu Überschneidungen interner Strukturen und zu Beziehungen zwischen dem politischen, wirtschaftlichen, ökologischen und sozialen Umfeld kommen. Aufgabe der Hauptakteure in Politik, Wirtschaft und Gesellschaft wird es sein, Brüche in den Biographien der Menschen zu akzeptieren, Übergänge zwischen den Lebensabschnitten zu ermöglichen und die Nachfrage nach neuen gesellschaftlichen Gütern zu fördern. Die entscheidenden Herausforderungen der Zukunft - Globalisierung und Arbeitslosigkeit - kann man nicht "bekämpfen" oder "lösen". Ihre kulturellen und gesellschaftlichen
Auswirkungen und möglichen Antworten sind aber veränderbar, die Möglichkeiten und Chancen hierzu noch längst nicht ausgemacht.
Individualisierung, die Auflösung der traditionellen Milieus und die Erfindung der eigenen Biographie bei den "Kindern der Freiheit" (Ulrich Beck) werden ein Festhalten an den großen und einst bewährten Institutionen nicht mehr zulassen. Wer sich auf die Abschlüsse und Zeugnisse von Schule und Betrieb, auf Rentenversicherung und Erwerbsarbeit allein verläßt, kann - das ist die Erfahrung unserer Generation - sehr schnell und gründlich verlassen sein. Auf wen und was werden wir uns in Zukunft verlassen können?
"Solidarität" und "soziale Gerechtigkeit" bleiben wichtige Werte. Wer sie aber allein mit traditionellen Institutionen beantworten und auf alten und ausgetretenen Wegen erreichen will, wird auch diese zerstören und mit ihnen das entscheidende Kapital einer Gesellschaft.
Was bedeuten im 21. Jahrhundert noch "Gleichheit und Gerechtigkeit", wenn immer mehr Menschen immer weniger an den Chancen der Gesellschaft teilhaben? Die Antwort der alten Sozial- und Arbeitsmarktpolitik bestand bis heute in Flächentarif, BAT und ABM. Was heißt "Bildung für alle", wenn in den Schulen und Hochschulen des Landes an den Bedürfnissen der Wirtschaft vorbei ausgebildet wird? Und wie läßt sich "Generationengerechtigkeit" definieren, wenn die Geburt von Kindern und die Gründung einer "Verantwortungs-gemeinschaft" für viele ein größeres Risiko bedeutet als der Konkurs eines Betriebes oder das Alter?
Wir Autoren suchen Antworten auf die neuen Herausforderungen für Politik, Wirtschaft und Gesellschaft. Dieses Land ist reich an Gütern, aber oft arm an Ideen und Visionen. Die vergrabenen Ressourcen aufdecken und für die Architektur der kommenden Republik zu verwenden, ist Anliegen und Aufgabe des Buches.
Wir glauben an die verborgenen Schätze in dieser Gesellschaft. Der alleinige "Primat der Politik" des 19. und 20. Jahrhunderts wird in einer globalen Welt zunehmend obsolet und ist aus unserer Sicht auch nicht wünschenswert. Einen "Primat der Wirtschaft", wie er sich abzuzeichnen beginnt,
löst die Probleme dieser Republik ebenfalls nicht. Viele ökologische und menschliche Beziehungen, auf die es in der Zukunft ankommen wird, lassen sich ökonomisch nicht hinreichend genug umschreiben. Staat und Markt, die bisher den "Rheinischen Kapitalismus" - das Erfolgsmodell dieses Landes – ausmachten brauchen in Zukunft eine starke Zivilgesellschaft. Für das kommende Jahrhundert favorisieren wir daher einen "Primat der Gesellschaft" – aus politischen, wirtschaftlichen, aber vor allem sozialen Gründen.

Zu den Autoren
Liste der an diesem Buchprojekt interessierten Autorinnen und Autoren
Die Autoren des Buches sind Stipendiaten vor allem aus den parteinahen Stiftungen und in der Regel zwischen 25 und 30 Jahren alt. Die meisten Autoren sind somit in der Zeit des Mauerfalls 1989/90 politisch sozialisiert worden. Wir haben uns bewußt an Stipendiaten gewandt, die keine höheren parteipolitischen Ämter innehaben: Nah genug an der Politik dran, aber weit genug von ihr entfernt verstehen wir uns zunächst als externe Beobachter, zugleich aber als "Generation des Übermorgen".

Was kommt nach dem Buch?
Mit Erscheinen des Buches wird ein politisches Netzwerk unserer Generation in Berlin gegründet und etabliert. Die Fragen, die das Buch aufgeworfen und zu beantworten versucht hat, sollen auf regelmäßig stattfindenden Veranstaltungen mit Vertretern aus Politik, Wirtschaft und Gesellschaft diskutiert und gestritten werden.
Buch und Netzwerk werden zu einer besseren Vernetzung und Verankerung unserer Generation in der Berliner Republik und zu einem anregenden Dialog mit führenden Repräsentanten dieses Landes führen. Nicht nur Eigentum, auch öffentliche Förderung verpflichtet. Mit uns soll man rechnen, auf uns soll man zählen können!

Zur Kapiteluebersicht und den bisherigen Beitraegen

Zu den Autorinnen und Autoren