Zwei Mark sind zu wenig
Trotz Ökosteuer: Benzin ist zu billig / Von Frank Drieschner

Die Vorteile des Autos, schrieb ADAC-Präsident Otto Flimm vor einigen Jahren, würden »individuell empfunden«, während die Nachteile mehr genereller Natur sind, das heißt die Allgemeinheit betreffen". Diese Einsicht muß in Erinnerung gerufen werden, da sich neuer Streit um die Ökosteuer anbahnt - bloß weil Autofahrer beim Tanken dieser Tage einen Nachteil ihrer Fortbewegungsweise ganz individuell empfinden.

Erstmals übersteigt der Benzinpreis  hierzulande eine Grenze, die in den meisten Nachbarländern längst überschritten ist: zwei Mark pro Liter!
Zwei Mark pro Liter Benzin! Nur dem schlechten Zustand der Union ist zu danken, daß der Protest nicht heftiger ausfällt. Denn die Mehrheit der deutschen Normal- und Superverbraucher scheint der sonderbaren Vorstellung anzuhängen, eine Bande rot-grüner Spaßverderber wolle auf ihre Kosten den Haushalt sanieren oder dubiose Ökoprojekte verwirklichen.

Seltsam, wie wenig Autofahrer von den Kosten des Autofahrens wissen. Dabei gibt es eine Vielzahl sorgfältiger Untersuchungen - keine Milchmädchenrechnungen, sondern deutsche Ingenieursarbeit. Im Detail mag die eine oder andere Berechnung angreifbar sein, aber am Ergebnis läßt sich nicht rütteln: Autofahrer bürden der Allgemeinheit schwere Lasten auf Wollte man nur die Kosten von Verkehrsunfällen - für die Versorgung der Unfallopfer, Produktionsausfälle, den Verlust an Menschenleben, Gerichtsverfahren- sowie die Kosten von Lärm, Luftverschmutzung und Klimaveränderung auf den Benzinpreis umlegen, so müßte er nach einer Untersuchung etwa vier Mark je Liter betragen. Auf 350 Mark pro Jahr und Einwohner schätzt eine andere Studie diese so genannten externen Kosten des Straßenverkehrs.

Wenn Benzin und Diesel zu billig sind, hat das den Effekt einer umgekehrten Luxussteuer: Alle zahlen ein, wer sein Geld zurück will, muß Auto fahren - je mehr, je schneller, desto besser. So gesehen ist es nur konsequent, daß Mittelklasseautos heute mit Motorleistungen aufwarten, wie sie noch vor zwanzig Jahren Sportwagen vorbehalten waren, daß Familien ihr Glück in der sekundenschnellen Beschleunigung von null auf hundert suchen. All die seltsamen Obsessionen der Autoliebhaber könnte man getrost als ihre Privatsache behandeln - wenn für sie nur gelten würde, was für Briefmarkensammler, Feinschmecker und Golfspieler selbstverständlich ist: daß sie die Kosten ihrer Vorlieben selbst tragen.

»Ein Umdenken ist also nötig«, erkannte schon vor Jahren ADAC-Präsident Flimm.
Zwei Mark je Liter Benzin: Das ist ein Anfang.
 
 


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Last modified jan 8th 2000