Mission auf Madagaskar

Die Geschichte der ersten Missionare

(Kindern erzählt)
Vielleicht habt ihr schon einmal eine Sendung über Madagaskar im Fernsehen angeschaut. Meist werden Lemuren gezeigt; das sind Halbaffen, die man nur auf Madagaskar findet. Wie Lemurdie Menschen dort leben, sieht man seltener. Vor 200 Jahren war Madagaskar eigentlich nur den englischen Seefahrern ein Begriff. Auf ihrer Fahrt von Europa nach Indien hätten sie am liebsten einen großen Bogen um die Insel gemacht, denn Madagaskar hatte einen schlechten Ruf. Sklavenhändler trieben an den Küsten ihr Unwesen, und in verborgenen Buchten hausten Piraten, die die Gewässer unsicher machten. Kaum ein Europäer hatte sich bislang ins Landesinnere vorgewagt. In den unergründlichen Tiefen der Urwälder sollten "Wilde" leben. In der Tat, hin und wieder tauchten unvermutet wilde Horden schwarzer Krieger an der Küste auf, richteten Verwüstungen an und verschwanden so plötzlich, wie sie gekommen waren.

Die Kunde von den Überfällen war auch zu den christlichen Gemeinden im fernen England gedrungen. Bald merkten sie, daß Gott etwas mit den "Wilden" vorhaben mußte. Besonders ein Vers im Buch des Propheten Jesaja wurde ihnen wichtig :

"Das Volk, das im Finstern wandelt, sieht ein großes Licht, und über denen, 
die da wohnen im finstern Lande, scheint es hell."
(Jesaja 9,1)
Das Volk, das im Finstern wandelt, war damit nicht das Volk der Madagassen gemeint? Auf Madagaskar hatte man noch nichts von Jesus Christus, dem Licht der Welt, gehört. Den Christen war klar: Gott wollte das Volk nicht im Dunkeln lassen. Wer aber meldete sich freiwillig, den Madagassen das Licht zu bringen? Das Risiko war groß. Die meisten Europäer waren den Strapazen des heißen Klimas nicht gewachsen, erlagen dem berüchtigten Madagaskarfieber oder wurden umgebracht. Nicht immer waren es feindliche Eingeborene, die ihren Tod herbeiführten. Wie gesagt, Piraten und Sklavenhändler trieben dort ihr Unwesen, denen ein Menschenleben wenig bedeutete. Wenn ihnen einer das Geschäft vermasselte, machten sie kurzen Prozeß.

Ja, es gehörte schon eine gehörige Portion Mut dazu, als Missionar nach Madagaskar zu gehen. Vielen Christen in England war die Wichtigkeit der Aufgabe bewußt, aber sie zögerten, den ersten Schritt zu tun. Da traten zwei junge Männer vor: David Jones (Bild) und Thomas Bevan. Sie kannten den Missionsbefehl Jesu und sie waren bereit, ihm zu folgen.

David JonesHeute erreicht man Madagaskar mit dem Jumbo-Jet von Europa aus in zwölf Stunden. Damals gab es noch keine Flugzeuge, und die Dampfschiffe hatten die Weltmeere noch nicht erobert. So bestiegen die Missionare ein Segelschiff, das zwischen London und Mauritius verkehrte. Monatelang waren David Jones und Thomas Bevan auf See, bis sie endlich die kleine Insel östlich von Madagaskar erreichten. Danach mußten sie dann noch die fünf Tage dauernde Überfahrt nach Madagaskar auf einem kleinen Frachtensegler überstehen, der sonst Ochsen transportierte. Es wird ihnen ziemlich gestunken haben. Sicher atmeten sie erleichtert auf, als sie schließlich in Tamatave an Land gehen konnten. Das war im August 1818.

Das Wetter ließ sich ertragen: Es war zwar recht heiß aber trocken. Vier Monate später jedoch begann die Regenzeit, in der es unerträglich schwül wurde und das berüchtigte Fieber zu wüten begann. David Jones erwischte es als ersten. Schwere Fieberanfälle schüttelten ihn. Es ging immer weiter bergab. Als Thomas Bevan eines Tages an das Lager des Todkranken trat, sagte er in einer plötzlichen Eingebung: "Du wirst ganz gewiß gesund, ich aber werde sterben." Und so geschah es tatsächlich: Thomas Bevan starb kurze Zeit später. Die Vermutung liegt nahe, daß Sklavenhändler, die um ihr Geschäft fürchteten, mit Gift nachgeholfen hatten. David Jones war in den Augen der Giftmischer dagegen schon so gut wie tot: Das Fieber hatte noch keiner überlebt. Sie sollten sich gründlich verrechnet haben. David Jones erholte sich zusehends und fühlte sich schließlich wieder so kräftig, daß er nach Antananarivo, dem eigentlichen Ziel seines missionarischen Einsatzes, aufbrechen konnte.

Radama I. Antananarivo war die größte und zugleich auch die bedeutendste Stadt des Landes, denn dort wohnte der König. Er hieß Radama I., war 29 Jahre alt und herrschte über das Volk der Merina im Zentrum des Hochlandes. Könige besaßen damals noch große Macht; ihr Wille war Gesetz. Ohne Radamas Zustimmung lief nichts auf Madagaskar. Bei seiner ersten Begegnung erkannte David Jones sofort, daß er hier keinem "Wilden" gegenübertrat. Radama I. war zierlich von Gestalt, elegant gekleidet und begrüßte mit Begeisterung alles Neue, das aus Europa kam. David Jones wurde sehr freundlich empfangen. Der König entsprach seiner Bitte, christlichen Missionaren grundsätzlich zu erlauben, auf Madagaskar Mission zu treiben. Der erste große Schritt auf dem Weg zur Missionierung der Madagassen war getan!

David GriffithsDavid Jones erhielt daraufhin Verstärkung aus England. Es kam der Missionar David Griffiths, der ebenso wie David Jones über ein außergewöhnliches Sprachentalent verfügte. Das brauchte er auch, denn für gewöhnlich ist es einem Europäer fast unmöglich, die Landessprache Madagassisch zu erlernen. Die Missionare ließen sich jedoch nicht entmutigen und machten sich mit Feuereifer daran, die Sprache systematisch zu studieren. Vielleicht dachten sie dabei an die Worte Jesu:

"Alle Dinge sind möglich dem, der da glaubt."
(Markus 9,23)
Nach kurzer Zeit sprachen sie fließend Madagassisch, und bald schon beherrschten sie die Sprache so weit, daß sie die Übersetzung der Bibel in Angriff nehmen konnten. Der Bibelübersetzung widmeten sie sich allerdings nur in den Abendstunden. Tagsüber arbeiteten David Jones und David Griffiths als Pastoren und Lehrer. Es war klar, daß die Missionare handfeste Unterstützung aus der Heimat brauchten, sollte es mit der Mission auf Madagaskar zügig vorangehen.

James CameronDie Engländer schickten ihnen den Missionar James Cameron, der, ebenso wie einst der Apostel Paulus, ein Handwerk erlernt hatte. So konnte er sich seinen Lebensunterhalt selbst verdienen. Das war wichtig, denn den Gemeinden in England ging allmählich das Geld aus. James Cameron war gelernter Zimmermann. Bald schon zeigte sich, daß dieser Handwerker- Missionar nicht nur zimmern konnte; er kannte sich aus in Maschinenbau, Mineralogie, Physik und Chemie. Wie wertvoll diese Kenntnisse waren, sollte sich bald herausstellen.

Als Radama I. starb und seine Frau Ranavalona I. Königin wurde, war dies für die Missionare ein schwerer Schlag. Dem freundlichen und weltoffenen Herrn folgte eine grausame Herrscherin, die alles Fremde haßte. Die Missionare, die mit ihr über die Unsterblichkeit der Seele sprechen wollten, soll sie ausgelacht haben. Dann keifte sie los: "Solchen Unsinn brauchen wir hier nicht. Wenn ihr nichts Besseres wißt, seid ihr auf Madagaskar unerwünscht. Könnt ihr meinem Volk nicht etwas Ordentliches beibringen? Mein Volk soll lernen, wie man Seife aus Zutaten herstellt, die es hier im Lande gibt. Also bitte: In einer Woche macht ihr mir Seife, oder ihr könnt gehen." Seife machen? Das konnten doch nur die Seifensieder. David Jones und David Griffiths packten in Gedanken schon ihre Koffer.

James Cameron jedoch nahm die Herausforderung an und ging sofort an die Arbeit. Eine Woche später war es dann so weit; die Missionare mußten wieder vor der Königin erscheinen, die sie mit hämischem Grinsen empfing: "Nun, was habt ihr mir zu bieten?" Der entscheidende Augenblick war gekommen! James Cameron trat vor, ein rascher Griff in die Tasche und - die Königin traute ihren Augen nicht - da hatte er doch tatsächlich zwei Stücke Seife in der Hand! Die Missionare hatten die Probe bestanden und konnten bleiben. Mit letztem Einsatz gelang es ihnen, die Übersetzung der Bibel zum Abschluß zu bringen. Druck der ersten BibelWie aber sollte der Druck bewerkstelligt werden, nachdem der Drucker vom Fieber dahingerafft worden war, bevor er die Druckerpresse, hatte zusammensetzten können? Wieder ging James Cameron ans Werk und tatsächlich gelang ihm das schier Unmögliche: Aus tausend Einzelteilen entstand unter seinen geschickten Händen eine funktionierende Presse, und innerhalb kürzester Zeit waren die ersten Exemplare der madagassischen Bibel gedruckt. Die Missionare müssen geahnt haben, daß der Frieden nur von kurzer Dauer sein würde. Als Ranavalona I. merkte, daß sich immer mehr ihrer Untertanen zu Christus bekannten, sah sie ihre Stellung als höchste Herrscherin bedroht. So verbot sie das Christentum in ihrer berühmten Rede an das Volk und die Missionare mußten das Land verlassen. Es blieben jedoch die druckfrischen Bibeln dort und nicht lange, so ging die Saat des Wortes auf in den Herzen der Madagassen.

Madagassische Bibel



zu MonikaMonika fährt nach Madagaskar - ein mit Federzeichnungen und Fotos illustriertes Kinderbuch von Max Mezger.


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Der Autor dieser Seite ist Matthias Radke.
Letzte Änderung am 30. Dezember 1999.