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Sommerferien 2003
Ich habe gepackt und gefrühstückt. Mein Mopped ist jetzt schwarz, metallicschwarz, aber ohne Klarlack drüber. Es sieht älter aus als es ist. Es ist 25 Jahre alt, und auf dem Tacho, der im Jahre 1992 neu drankam, stehen 75000 km.
Irgendwas fehlt.
Irgendwas ruft. Ah, da steht sie am Küchenfenster im 2. Stock. Dem Küchenfenster, durch das sie mich in 1 Monat wird schubsen wollen. 2 Stockwerke tief. Auf Waschbetonplatten.
Paul steht auf dem Fensterrahmen und winkt. Ich winke ihm zurück.
Ich fahre die B45 runter und umgehe Darmstadt, Weinheim und Heidelberg östlich. Karlsruhe umfahre ich auf der B3, das ist zwar innerorts, aber der Verkehr rollt flüssig. Ich finde einen Pizzadienst. Der Inhaber ist leicht dunkelhäutig, seine Sprache hab ich noch nie gehört.
Ich verirre mich, parallel zur Eisenbahn, nach Malsch und komme planmäßig in Bad Herrenalp an. Als ich hinunterfahre, regnet es nur ein bißchen.
Es fängt richtig an, als ich dort bin. Die Regentropfen prasseln auf dem Asphalt. Die Rentner suchen Zuflucht in den Cafes. Auf volle Cafes mit voll ausgelasteten Bedienungen habe ich aber keine Lust, also stoppe ich unter einem Garagenvordach und mache Pause.
Der Regen läßt nicht nach. In den Alpen ist es schöner. Ich wringe meine Handschuhe aus, zwänge die Hände hinein und fahre weiter.
Leider übersehe ich die Abzweigung nach Baden-Baden, und somit die gesamte B500. Die 462 bringt mich zügig, aber langweilig nach Süden. In Schramberg verlasse ich sie und fahre nach Gefühl über kleine Landstraßen nach Süden.
Nach Gefühl nach Süden fahren ist eigentlich ganz einfach um 1500 Uhr, wenn die Sonne scheint: man muß sie bloß immer rechter Hand haben. Leider haben wir statt dem eine dichte Wolkendecke - immerhin so undicht, daß ich gelegentliche helle Flecken darin für die Sonne halte und mich Richtung Osten verirre. Ein freundlicher Tankwart beobachtet mich beim Auswringen der Handschuhe und weist mir den Weg nach VS.
Von dort will ich gen Westen. Im Westen dräut eine sehr große schwarze Wolke, die sichtbar größer wird, und der Wind nimmt zu. Ich suche Zuflucht im McDoof, und gucke zu, wie Wind und nahezu horizontaler Regen am Baum vor dem Fenster zausen. Als das Gewitter vorbei ist, fahre ich weiter.
Titisee und Schluchsee sind noch dort, wo sie hingehören. Es wird wieder heller. Letztes Jahr habe ich hier in der Gegend übernachtet. Dieses Jahr habe ich andere Pläne: die Schweiz um Zürich herum ist langweilig, berg- und kurvenlos und radargefährdet. Also brumme ich soweit ich komme. Über Bundesstraßen.
Diesmal finde ich die kleine Straße von Koblenz nach Zürich. So, nun kann die Deutschland-Karte fort und die Alpenkarte her.
Es wird dunkel und nieselt weiter. Es wird sogar richtig dunkel. Ich schalte das Licht an und bemerke, daß ich trotzdem kaum was sehe. Schon in den Tagen vorm Losfahren war da irgendwas faul: Wenn ich mit Licht fuhr, mußte ich die Maschine ankicken, die Batterie war leer. Bin deshalb auch den ganzen Tag mit Standlicht gefahren. Ich hasse Fehler dieser Art.
Na, das schwache Licht und die vielen geschlossenen Ortschaften, durch die ich fahre, passen zusammen. Schleich ich halt mit 60 lang - jeder Meter, den ich heut noch schaffe, bringt mich den Alpen näher. Eigentlich bin ich schon drin.
In Horten suche ich lange und ergebnislos ein Hotel. Später finde ich eins, direkt an der Straße. Mit Garage. Und Schweizer Preisen.
Eigentlich ist es merkwürdig, daß die Schweizer sich ihr Land leisten können. Sie müssen ordentlich verdienen. Das tun sie aber nicht - sie laufen mehrheitlich in Aldi-Klamotten rum. Also steht wahrscheinlich die Währung relativ hoch.
Dienstag.
Ich fahre los. Husch! Über Furka, Nufenen, Gotthard, Susten und Grimsel-Paß. Anschließend Mittagspause und Öl nachfüllen. Strahlende Sonne die ganze Zeit, außer am Furka, der steckte in Wolken, vom Rhonegletscher war nix zu sehen.
Zum ersten Mal über die Straße von Gletsch runter ins Rhonetal. Mir fällt ein verrückter Radfahrer auf: er zieht einen Anhänger mit seinen beiden kleinen Kindern drin den Berg hoch, die Frau strampelt mit leichtem Gepäck hinterher. Er sieht sogar so aus, als machte ihm das Spaß.
Ich hab keine Kinder und keinen Anhänger, aber dafür einen Motor dabei und möchte nicht mit ihm tauschen.
Anschließend gehts das Rhonetal runter und über den Großen St. Bernhard. Besser als geplant: 6 Pässe heute. Irgendwo zwischen Aosta und Kleinem St. Bernhard, noch im Hellen, beehre ich ein Hotel und eine Pizzeria, die das nicht verdient hat.
Mittwoch.
Ich stehe früh auf, frühstücke draußen in der Sonne, starte mein Mopped elektrisch - juhu - und brenne übern nächsten Paß.
Ein- oder zweimal überholen mich 6er-Gruppen von Sport-Bikes: dreimal soviel Hubraum, größere Tanks, höhere Leistung. Ich sehe sie alle wieder: wenn sie Pause machen, quatschen und fotografieren. Ich bin schneller.
In Bourg-St-Maurice hat der McDoof noch zu. Na, dann geht's eben ohne Kaffe weiter: hinauf in die wilde Schönheit des Val d'Isere.
Es dauert lange, bis ich oben bin. Oben, das ist ein schmaler Grat in einer Bergkette, mit Schotter, Wind und Aussicht auf eine steile, kurvenreiche Abfahrt. Und ca. 2 Enten und Dianen pro Minute.
Kaum habe ich die Maschine aufgebockt und es geschafft, eine Zigarette anzuzünden, schnäufelt auch die Diane mit belgischen Kennzeichen, die ich vor zwei Kilometern überholt hab, auf den Parkplatz. Der Fahrer ist rundlich, gemütlich und weißhaarig und macht - errr - den vorderen Deckel auf.
Ich gehe rüber, um mir einen Motor anzusehen, der älter ist als ich. Er kommt an, als er sieht, daß ich meine Nase in seinen Motorraum stecke.
Ich habe meine Hände da, wo sie hingehören, wenn ich mich einem Oldtimer mehr als 1 m nähere: auf dem Rücken verschränkt. Er spricht gut Deutsch. Gebläsegekühlter 2-Zylinder-Boxer, 4 Gänge, null Probleme. Das Baujahr ist eine Frechheit: mehr als doppelt so alt wie meine Suzi. Und gut in Schuß. Ja, sagt er, von einem Rentner gekauft.
Was sind das für Riesen-Gleichlauf-Gelenke beidseits des Getriebes? Oh, es sind die vorderen Scheibenbremsen. Cool. Das Ding muß rollen wie eine Sänfte.
Ringsherum sind an drei Stellen daumengroße Rostflecken unter den Chromleisten, und der Fahrersitz hat einen Riß, sonst wirkt das Ding original und perfekt. Nicht mal die Elektrik ist verbastelt.
Wrumm! Schon wieder 5 Enten. Heuer ist das weltberühmte Ententreffen in Italien.
''Deine Maschine ist aber auch schon älter'' beobachtet er. ''Nur 25 Jahre.'' Na klar ist das ein biblisches Alter für ein Mopped, aber das muß ich nicht betonen. ''Allzeit Gute Fahrt!'' Unten im Tal krieg ich einen Cafe au lait und komme bis zuletzt nicht dahinter, ob die Bedienung mich für einen Franzosen hält oder nicht.
Ich fahr wieder über Susa, aber diesmal Bundesstraßen. Zum Glück sind die Berge zum Teil steil und faltig, so daß selbst die Bundesstraße erfreulich viele Kurven hat. In Briancon gibt's Mittag. Letztes Jahr hab ich für dieselbe Strecke einen Tag länger gebraucht.
An der Auffahrt zum Col d'Izoard überholt mich eine GS500 mit Zelt. Ich wittere einen Verwandten im Geiste und versuche, ihm zu folgen - zwecklos. Oben treff ich ihn wieder, er sitzt da und guckt.
''Tut dein Hintern nicht weh?'' Schlagen wird er mich vor all den Leuten ja wohl nicht. ''Deine Maschine tropft.'' Also doch. Verbal. Na gut. Er ist Schwabe, schraubt und fährt GS400 und GS500 und hat sich, wie jedes Jahr, eine Woche von Frau und Kind freigenommen, um auf einer Karre, die viel zu klein für seine Beine ist, auf einem Sitz, der viel zu klein für Touren über 100km ist, durch die Berge zu brennen. Damit fing er an, als er zu rauchen aufhörte. Guter Plan.
Wir brechen auf, ich als der langsamere vorneweg. Auf der Abfahrt bleibt er stehen und macht ein digitales Foto. Nach zwei Kilometern hat er mich wieder eingeholt.
Ich fahr wie immer: mindestens 20 mehr als erlaubt, Überholen wo's geht, drängeln nur wo nötig, mit wenig Licht. Mit Vollgas rauf auf den Col de Vars, und wenn ich den Rest der Tour schieben muß. Ich schaffs nicht, ihn abzuhängen.
Wir machen ausgiebig Pause in der Sonne und gucken die Deppen mit ihren Blechhaufen an sowie die kontinuierliche Entenparade. Er sagt, mein Maschinchen liefe ja deutlich besser als es aussähe, wenn ich auf GS500 umsattel, würd es wahrscheinlich viel Spaß machen, mit mir zu fahren. Er sagt auch, es gibt zwei tolle Schluchten westlich vom Bonette.
Hm. Eigentlich wollte ich ja nochmal übers Stilfser Joch und durch die Dolomiten. Andrerseits ist eine Tour durch die Po-Ebene mit einem ganzen Tag lang (von insgesamt 6 Tagen) Kilometerfresserei in der Ebene langweilig. Bäh.
Ich beschließe, durch die Schluchten zu fahren, dann durchs Rhonetal Richtung Dolomiten.
Unsere Wege trennen sich am Fuß des Bonnette. Er will zur Straße aus dem 1. Weltkrieg, oben am Col du Tende. Kies, Driften und Gefahr pur.
Auf dem Bonnette ist mir ein bißchen langweilig, drum schlendere ich zu den beiden anderen Moppedfahrern hinüber und laß mir ein paar Umbauten an der Guzzi erläutern. ''Dein Mopped ist aber auch schon bißchen älter, was?'' - ''So alt wie eure beiden zusammen, schätz ich.'' Wir gucken die Fahrzeugscheine an: Meine ist sogar ein Jahr älter. Sie kommen mitgeschlendert und bleiben höflich: ''Mhm. Schön. Wenn's noch fährt.''
Sie sparen sich das übliche ''Mein Gott sieht die Scheiße aus - der Motor tropft - Damit traust du dich von zuhause weg? - hast du die selber angemalt? - das wär aber ordentlicher gegangen - ich hätte meinen Tank nicht mit Moltofill aus der Tube gespachtelt - fährt das? - bremst das? - mit 0,5 Liter Öl zuwenig solltest du keine Berge runterfahren - hoch schon gar nicht - warum nur Standlicht - noch viel Spaß beim Fahren, lange kann's nicht mehr gehn...''
Auf der Abfahrt laß ich sie überholen. Muß den Motor schonen. Motor schonen bei GS400 heißt: mit viel zu wenig Öl übern höchsten asphaltierten Alpenpaß fahren, dem Plan einen Tag voraus, Ziel: Nizza und unheimlich viel Spaß. Was heißt eigentlich Motor schonen bei ner HD?
Ich biege genau da ab, wo ich letztes Jahr abgebogen bin, und erreiche das Hotel zur Abendessenzeit. Leider ist es zu. Das andere im Ort ist voll. Also fahre ich weiter bergauf. Es ist nett und kurvenreich hier, viele Franzosen sind in der Sommerfrische, aber ich hab Hunger, bin müde und brauch ein Bett.
Kurz bevor es ganz dunkel ist, finde ich noch eines. Mit Drei-Gänge-Menü und Garage. Na prima.
Donnerstag.
Nach einem ordentlichen Frühstück fahre ich eine Teil der Strecke von gestern zurück und hangele mich anschließend auf äußerst schmalen kurvenreichen Straßen an äußerst steilen faltenreichen Bergen entlang Richtung Westen. In Valberg finde ich einen ec-Automaten, in Beuil finde ich Sprit.
Die Schluchten (frz.: gorges) sind wirklich nett und sehenswert. Eine der Straßen ist nahe dem Schluchtgrund in den roten Felsen gesprengt, die andere ist oben an der Kante hineingebaut. Das einzige was mich stört ist die Vegetation. In den letzten Tagen wars oben immer schön kahl, baum- und graslos.
Nicht mehr lange, denke ich in Vorfreude auf den Gavia.
Der Col de Cayolle ist ganz nett, aber etwas langgezogen. Oben muß ich mich hinlegen. Mein Hintern tut richtig weh, und von irgendwas bin ich müde und fertig. Col de Var und Col d'Izoard kannte ich auch schon... So etwas macht eigentlich gar keinen Spaß. Ich möchte lieber Neues erobern (hm, Erobern ist gut, es ist sicher erobernder, solche Straßen zu BAuen als sie zu FAhren - aber trotzdem).
Ich entdecke außerplanmäßig, daß man auch über den Galibier und den Col du Madeleine zum Kleinen St. Bernhard kommt. Beschlossen.
Der Galibier zieeeeht sich. Durch ein Tal. Mit vielen Ortschaften. Als ich aber endlich oben stehe, weiß ich wieder wofür: Kahle Berge soweit das Auge reicht, irgendwo da unten schütteres Grün, Wind und ganz nah am Himmel dran. Es ist fast wie Bergsteigen. Ich meine richtige Berge, nadelförmig, wo ''oben'' ein unübersichtliches Gelände von 5x5 Quadratmetern ist und es auf keiner Seite direkt hinab geht. Oder zu direkt, falls man danebentritt. Schön.
Auf dem Weg nach oben hatte ich Licht an, damit mich das Mädel mit ihrer 600er und der Kerl mit seiner 400er Enduro endlich vorbeiließ. Jetzt muß ich anrollen.
Es ist wirklich nett hier, aber ich hab heut noch was vor.
Im Tal, in St-Jean-de-M., ist ein McDoof. Wenig später sehe ich auf der Nordseite eine Art Pilgerweg, der in engsten Kehren eine fast senkrechte Wand hochklettert. Oh! Es ist eine Straße, breit genug für einen Pkw. Ich brauche 5 Minuten für bis nach oben. Die Straße führt weiter, gut - aber St. Madeleine ist nicht ausgeschildert.
Ich halte an und frage nach dem Weg. Ein freundlicher Franzose versichert mir, der Madeleine ist erst ein Tal weiter, aber wenn ich dieser Straße folge, komm ich über einen Rücken dorthin und muß nicht zurück ins Tal.
Die Straße wird ein Feldweg und bleibt dann dabei. Ich bin sehr erleichtert, als nach vielen Kilometern Schotter endlich wieder Asphalt auftaucht. Muß trotzdem erstmal wieder relativ weit runter, bis endlich die richtige Straße vor mir liegt.
Den Madeleine erreiche ich, als es anfängt zu dämmern. Es ist alles scheußlich grün hier auf nur 2000m. Hat aber trotzdem Spaß gemacht. Im Hui gehts hinab ins Tal und dann ziemlich lange geradeaus.
In Bourg-St-Maurice und in Seez sind die Hotels am Straßenrand voll. Dafür ist mein Tank schon wieder ziemlich leer, aber die Tanken haben zu. Ich erspähe im Dämmerlicht ein Schild: Hotel und folge der Straße. die sich unbeirrbar den Berg hochwindet. Und noch höher. Und noch höher. Rechter Hand sehe ich das Tal, durch das ich eben gefahren bin - jedenfalls wenn eine Schneise in den Bäumen ist. Umdrehen will ich aber auch nicht.
HautesAlpes1700 liegt auf ca. 1700m Höhe und ist wg. Renovierung geschlossen. Ich seufze, stelle mal wieder auf Reserve und brenne weiter bergauf.
Die Hotels von HautesAlpes1900 und HautesAlpes2000 sehen ganz schön teuer aus. Außerdem sind sie merkwürdig gekrümmt, und die Geschoßlinien folgen der Linie des Hanges, auf dem sie stehen. Ein Rotlicht und eine Schranke später parke ich endlich am teuersten Hotel der ganzen Tour. Draußen ist es windig, das Gebäude ächzt aber nicht. Wahrscheinlich ist das ganze Holz nur Verkleidung, mit Beton darunter.
Im Treppenhaus wird mir schwindelig. Eigentlich war das zu erwarten: das Treppenhaus liegt innen im Haus, zwei Rampen führen ein paar 10m in die Tiefe bzw. in die Höhe, mit Querbrücken, das Ganze geht ein paar 10m nach oben und ist genauso gekrümmt wie das ganze Gebäude. Dennoch wird mir schwindelig.
Der Cafe an der Bar ist okay, das klassische Konzert (bei offenem Fenster) und das Gewitter (bei zuem Fenster - es wird richtig kalt hier, nachts) auch. Im Fernsehen läuft eine Folge nach der anderen einer deutschen, französisch synchronisierten Actionserie mit drei Frauen.
Freitag.
Nach dem erlesenen Frühstücksbuffet gehts über die Bernharde und dann das Rhonetal hoch. Das ist mal wieder langweilig - und nochmal über den Furka wäre auch irgendwie langweilig. Paß ist zwar Paß, und ob ich dieses Jahr schon drauf war, macht eigentlich keinen Unterschied - aber dennoch kehre ich noch schnell bei McDoof ein und mache mich über den autobahnmäßig ausgebauten Simplon wieder nach Italien. Den kenn ich ja auch noch nicht.
Auf der Karte ist die Straße von Domodossola nach Locarno eine unbedeutende und unspektakuläre Nebenstrecke. Bin ich froh, daß ich sie trotzdem gefahren hab. Kurven ohne Ende, Berge, Wald, richtig schön. An einer Stelle kommt die Bergbahn 30m über dem Stausee aus'm Berg und fährt über völlig filigrane Ständer weiter, es sieht aus, als wollten die Ingenieure sich da selber ein Denkmal setzen. Sehr gut gelungen.
In Bellinzona ist Stop-And-Go. ich hätte die Autobahn nehmen sollen, dann säße ich jetzt nicht mit heißgelaufener Maschine vor 20 Millionen idiotischen Ampeln fest, sondern wär schon unterwegs bergauf. Mein Bargeld geht zur Neige. Schon wieder???
In Thusis hab ich die Wahl. In östlicher Richtung locken ein paar richtig süße Pässe, die im letzten Jahr viel Spaß gemacht haben. In nördlicher Richtung locken meine Söhne, außerdem hab ich Hunger, und 6 Tage (morgen inclusive) sollten genug sein.
(Jetzt, wo ich dies am Rechner schreibe, kann ichs freilich nicht nachvollziehen.)
Ich fahre über Bundesstraßen Richtung nach Hause und beehre unterwegs 2 McDoof. Die Dämmerung kommt. Ich muß Licht anmachen.
Plötzlich bin ich in Liechtenstein, hoppla. Hab die Grenze gar nicht bemerkt, aber die Autos hier haben andere Kennzeichen. Oh, eine abknickende Vorfahrt. Ich warte, bis der Bus vorbei ist. Mist, jetzt ist die Karre ausgegangen. Dabei bin ich doch, mit rabenschwarzem Gewissen, auch in der Dämmerung nur mit Standlicht gefahren.
Natürlich ist kein Berg da, wenn man einen braucht. Ich versuche sie 300m weit anzuschieben, aber es klappt nicht. Ich bin alarmiert und mache erstmal Pause.
So eine Teufelei. Wenn ich mit 20km/h im 2. Gang nebenherlaufe und kein Gas gebe, knattert der Motor wenigstens ein bißchen. Aber kaum geb ich Gas, geht er ohne Vorwarnung aus. Meine Lunge tut weh, als sie endlich wieder läuft.
(Jetzt, wo ich dies am Rechner schreibe, kann ichs letztlich doch nachvollziehen.)
Ich bin verzweifelt, aber das nützt mir nichts. Zweckmäßigerweise werde ich soweit nach Norden fahren wie möglich, dabei aufpassen wie wild, daß sie nicht ausgeht, evtl. sogar die Nacht durchfahren. Ich springe drauf und gebe Gas.
Hoppla, Liechtenstein ist schon zu Ende? Oje, ich bin ins Land der Abzocker geraten. Nix wie raus hier, ich will nach Deutschland.
Mit Standlicht bei Dunkelheit über österreichische Straßen zu fahren ist bescheuert. Ich passe die Geschwindigkeit und die Fahrdynamik an und tue so, als wäre ich ein österreichisches Moped, mit 60 km/h. Den Autos ist das gottlob egal.
Mit Standlicht bei Dunkelheit durch österreichische Städtchen zu fahren ist noch bescheuerter. Man sieht nix. Insbesondere keine Gendarmen und keine Straßenschilder, und anhalten und auf die Karte gucken ist auch nicht drin.
So kam es, daß ich in Feldkirch versehentlich nach Osten abbog.
In Nüziders beschloß ich, dem grausamen Spiel ein Ende zu machen, bevor noch was passiert, und suchte mir ein Hotel. Wieso ist zu dieser Scheiß-Jahreszeit alles voll? Stellen Sie sich vor: eben haben Sie noch zwei nutzlose österreichische Teenager ohne Helm Mofa fahren sehen, und im nächsten Moment müssen Sie Ihre geliebte GS400 mit Gepäck und laufendem Motor vor einem Gasthaus parken, da hineinlaufen und ein Zimmer organisieren.
Komischerweise waren sowohl Mopped als auch Schlüssel nach 10min noch da. Ich seufzte, schob sie in den Stall und schaffte es noch, mich auszuziehen, bevor ich ins Bett fiel.
Samstag.
Ich frühstücke reichlich. Ich weiß ja, was auf mich zukommt. Hatte ich schon erwähnt, daß Nüziders in einem völlig flachen Tal liegt?
Die Wirtin scheint mich zu mögen. Vielleicht versteht sie, daß das gruppenweise Wandern zu Fuß, mit Sepplhut und Rucksack, mittlerweile in manchen Bevölkerungskreisen out ist, aber dafür Moppedwandern in. Und, wie bekannt, Biker sind pflegeleicht.
Ihr Mann ist auch Biker, sagt sie. Ach? Fährt er auch ne 70er Jahre Suzi? Nein, eine schwere HD. (Na das ''schwer'' hätt sie sich sparen können.) Nördlich von hier, übers Faschinajoch, kommt man auch nach Dornbirn.
Ich kenne die Strecke, teilweise, vom Autofahren. Sie ist nett, mit wunderbarer Aussicht über den Bodensee. Gebont. Danke für den Tip.
Ich atme nochmal durch, dann versuche ich mein Mopped anzuschieben. Mit allen Tricks. Nach 300m ist sie durch gelegentliche Zündungen soweit aufgewärmt, daß ich den Choke rausnehmen kann. Nach weiteren 100m läuft sie.
Übers Faschinajoch komme ich zügig voran. Über die Autobahn sehr zügig (aua mein Hintern). In Ellwangen fahre ich wieder herunter, in Blaufelden gibt's Mittag. Anschließend springt sie durch 3mal Kicken an. 1700 Uhr bin ich zu Hause.
Zwei Wochen später.
Hinterreifen und Stoßdämpfer wechseln macht keinen Spaß an einem Mopped, das nicht läuft. Ich teste den Honda-Regler und den Kondensator, der zwischen +12V und Masse angeschraubt ist. Dabei bricht ein Beinchen ab.
Also schön, ich löte Kabel an die Beinchen und kleb ihn mit Paketband irgendwo an den Rahmen.
Hoppla. In der Lichtmaschine ist ein Kurzschluß: die Kabel, die herauskommen, haben Widerstände zur Masse. Ich messe die Leerlaufspannung der Spulen bei 3000 rpm.
Ich rechne nach: Im Leerlauf (also bei unbelasteter elektrischer Anlage) kommen 15 ungeregelte Volt beim Regler an. Das sollte doch reichen, um sie auf 14,5V herunterzuregeln.
Ich konfrontiere ihn mit meinen Berechnungen. Er schweigt. Ich messe die Spannung, die unter Last (= mit Licht an) aus der Lichtmaschine kommt, und weiß: er ist exkulpiert.
Spulen mit Kurzschluß aus einem Alternator herauszunehmen ist mühsam, und man hat gute Chancen, ihn dabei noch mehr kaputtzumachen. Ich versuche einen 3-phasigen Trenntrafo für 180 W zu kaufen. Als ich erfahre, daß sowas 200 DM kostet und 2 kg wiegt, lasse ichs sein.
Schließlich hole ich mir eine neue Dichtung und schraube doch den Alternator ab. Bei einer Gehäuseschraube muß ich den Kopf wegbohren. Ich entlöte den Sternpunkt und ermittele durch Messung die fehlerhafte Phase. Ich unterbreche die Lackdrähte (vom Sternpunkt beginnend), bis ich endlich die fehlerhafte Spule (die zweite war's) gefunden habe.
Hm. Wenn ich in einer Spule zwei von 6 Spulen überbrücke, wird die Geschichte unsymmetrisch. Egal, der Original-Regler war auch immer unsymmetrich, er regelte nur eine von drei Phasen.
Ich baue sie wieder zusammen und prüfe das Ergebnis. Vieeeel besser als vorher - aber immer noch zu schwach für mit Licht.
Eine Woche später wiederhole ich die Prozedur und finde noch eine kurzgeschlossene Spule, die ich auch überbrücke.
Seitdem läuft's. Aus Dank hab ich ihr sogar neue Stoßdämpfer (200 EUR, Polo) spendiert.
Auf dem Tacho stehen 85000 km. Sieht aus, als würde ich die 100000 mit diesem Motor noch voll kriegen, und dann ist es Zeit für ein paar Transplantationen.
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